Optimale Energieverteilung: ein Beitrag zur erfolgreichen Energiewende mit Hilfe der Betonkernaktivierung / Bauteilaktivierung

 

In der heutigen Diskussion um die energieeffiziente Bauweise werden die folgenden Themen angesprochen [siehe Abbildung 1]:

  • wie kann die Wärmeenergie ressourcenschonend erzeugt werden?
  • wie kann der Verbrauch der Energie gesenkt werden?
  • wie kann die zur Verfügung gestellte Wärmeenergie optimal verteilt und ev. zwischengespeichert werden?

Zu dem ersten Punkt existieren bereits viele Ansätze von der Nutzung der Energie aus Sonne und Wind aber auch über die Erdwärme. Mit dem zweiten Punkt beschäftigt sich die Diskussion zum Thema „Energie + Bau“ bereits seit langer Zeit. Schenkt man den vielen Beiträgen Glauben, kann man den Eindruck gewinnen, es handele sich ausschließlich um dieses Thema. Die kontroversen Diskussionen um die optimalen Dämmmaßnahmen finden immer noch statt und haben zu einer noch immer nicht absehbaren Dämmstärke für die Gebäudehülle geführt.

Da diese beiden Themen die derzeitige Diskussion des energieeffizienten Bauens bestimmen, kommt dem dritten Punkt nicht die angemessene Bedeutung zu, bzw. Innovationen auf diesem Gebiet finden nicht statt. Es zeigt sich jedoch, dass erst die Energieverteilung und verbunden damit die Energiespeicherung im Gebäude in Verbindung mit den beiden anderen Fragestellungen zu einer erfolgreichen Energiewende beiträgt.

Erforderliche Maßnahmen zum Gelingen der Energiewende

Während lange Zeit die punktförmige Wärmeverteilung mit z.B. einzelnen Heizkörpern im Vordergrund stand, wird heute für Neubauten fast ausschließlich die flächenförmige Wärmeverteilung [Bild 2] genutzt. Denn die Energieübertragung über große Flächen arbeitet bereits mit niedrigeren Systemtemperaturen sehr effizient und zudem wirtschaftlich. Die niedrigen Systemtemperaturen wiederum passen zu den heutigen ressourcenschonenden und effizienten Wärmeerzeugern wie z.B. die Wärmepumpe, die mit niedrigen Vorlauftemperaturen erhebliche Leistungen erzeugen. Geeignete Bauteile für die flächenförmige Energieverteilung sind der Fußboden, die Wände und die Decke. Eine weite Verbreitung erfährt die Fußbodenheizung, gefolgt von der Deckenstrahlheizung, während die Wandheizung nur eine geringe Anwendung hat. Lag bislang der Focus für die Auswahl der jeweiligen Übertragungsfläche auf der Anwendung zum Heizen, gewinnt die Kühlung der Gebäude an größerer Bedeutung. Für die ausschließliche Heizung der Räume eignet sich die Fußbodenheizung ideal, während mit der Decke sowohl die Heizung als auch die Kühlung optimal umgesetzt wird. Der Einbau der Fußbodenheizung erfolgt einfacherweise in der statisch nicht relevanten Estrichschicht, während die Rohrleitungen zum Heizen/Kühlen in die tragende Deckenkonstruktion eingebaut werden. In diesem Fall spricht man von der Betonkernaktivierung, bei der die Masse der tragenden Betondecke als Speicher genutzt wird und die Wärmeenergie sowohl am oberen als auch am unteren Rand des Querschnitts abgegeben wird. Die Energieübertragung erfolgt über Strahlung und nur in geringem Umfang über Konvektion.

 

Fehlende Innovationen im Bereich Betonkernaktivierung

Ein Grund für die geringe Beschäftigung mit dem Punkt der Energiebewirtschaftung für eine energieeffiziente Bauweise ist auch darin zu sehen, dass wie berichtet, die tragende Konstruktion als Trägermedium für die Leitungen der Wärmeverteilung genutzt wird. Während bei den vormaligen punktförmigen Heizkörpern diese ohne Rücksprache mit dem Gewerk der tragenden Konstruktion ausgeführt werden kann, bedarf es bei der Flächenheizung der Abstimmung mit der Tragwerksplanung. Hierbei wird in die tragende Struktur und damit in die Sicherheit des Gebäudes eingegriffen.

Während die Abstimmung der Fußbodenheizung nur in geringem Umfang in die statischen Belange eingreift, muss im Falle der Betonkernaktivierung intensiv geprüft werden, ob der Tragwiderstand durch die Einlagen von Rohrleitungen verändert wird. Um ein Optimum sowohl für die tragende Konstruktion als auch für die Funktion der Raumklimatisierung zu finden, bedarf es eines gemeinsamen Know-Hows in beiden Fachgebieten. In Kenntnis dieser Problematik, und um weiteren Diskussionen bezüglich einer Abstimmung aus dem Wege zu gehen, hat man die Rohrleitungen wohl wissend innerhalb des Kerns des tragenden Betonquerschnitts [Bild 3] angeordnet. Nicht unberechtigterweise spricht man von der neutralen Zone, in der weder Zug- noch Druckspannungen auftreten. Mit dem gewählten Begriff wird zugleich suggeriert, dass keine Gefahr für das Tragverhalten zu erwarten ist.

Da es oftmals an einem gemeinsamen Informationsstand sowohl bei dem Tragwerksplaner als auch bei dem TGA-Planer mangelt, waren auf diesem Sektor bislang nur wenige Weiterentwicklungen bzw. Innovationen zu verzeichnen. Das fehlende Verständnis des jeweiligen Fachplaners für die Bedürfnisse des Anderen ist auch der Grund dafür, dass man sich aktuell wohl oder übel mit den Defiziten der Betonkernaktivierung abgefunden hat. Denn obwohl die thermische Aktivierung als außerordentlich energieeffizientes System mittlerweile anerkannt ist, haften dieser Technik negative Eigenschaften an wie eine zu träge Reaktionszeit, die fehlende Einzelraumregulierung und ein nur schwer regulierbares Klimasystem. Das hat dazu geführt, die Klimatisierung mit der Betonkernaktivierung nur als die Grundversorgung zu betrachten. Die Feinregelung des Raumklimas erfolgt nach wie vor über traditionelle Gerätschaften zur Raumklimatisierung wie zusätzliche Heizkörper bzw. Kühlsegel, die an der Decke aufgehängt werden.

1. Erforderliche Maßnahmen zum Gelingen der Energiewende
3. Betonkernaktivierung - Rohre innerhalb des Kern des Querschnitts
4. Oberflächennahe Bauteilaktivierung - Rohre nahe der Unterseite
5. Vorgefertigte Deckenelemente mit Sandwichquerschnitt
6. Bauteilaktivierung - Rohre in einer Schicht des Sandwichquerschnitts

Ansätze zur Optimierung der Betonkernaktivierung

Variationen bei der Ausführung haben dazu geführt, die Rohrleitungen aus dem Kern des Betonquerschnitts an die Oberfläche der Unterseite zu verlegen. Dann spricht man von der oberflächennahen Bauteilaktivierung. Damit lässt sich sowohl die thermische Leistung steigern als auch die Reaktionszeit verbessern [Bild 4]. Diese Veränderungen mit dem Eingriff in die Tragkonstruktion haben auf Seiten der Tragwerksplanung unmittelbar zu Untersuchungen geführt, welchen Einfluss die Rohrleitungen im Bereich der Stützen auf den Durchstanzwiderstand haben [1]. An diesen Maßnahmen erkennt man sehr eindrücklich, wie sehr die beiden Disziplinen, die Tragwerksplanung und die TGA-Planung, voneinander abhängig sind und diese notwendigerweise untereinander abgestimmt werden müssen. Denn bei den Tragwerksplanern gibt es Richtlinien mit dem Hinweis, innerhalb welcher Zone die Leitungen eingebaut werden dürfen oder wo eine Anordnung untersagt ist. Der Konflikt beider Planer bzw. die Notwendigkeit einer Schnittstellendefinition besteht darin, dass der TGA-Planer zur Optimierung der thermischen Leistung beabsichtigt, die  Rohrleitungen innerhalb der gesamten Fläche anzuordnen, während es durch die Vorschriften der Tragwerksplanung zu Tabu-Zonen führt.

An diesem Vorgang lässt sich nachvollziehen, welchen Einfluss das gegenseitige Verständnis bzw. die jeweilige Kenntnis über das Fachgebiet des Anderen auf die optimierte Lösung und damit auf den Erfolg des Gesamtprodukts hat.

Neuentwicklung Produktdesign: Sandwich anstelle Vollquerschnitt

In der Entwicklung von neuen, multifunktionalen Produkten ist der Ausweg aus diesem Dilemma zu sehen [2]. Bei diesem Ansatz geht es nicht mehr darum, die bestehende Technik weiter zu nutzen und allenfalls um begrenzte Einbauteile zu ergänzen, sondern gänzlich neue Formen, neue Konstruktionen und neue Prozesse zur Herstellung zu entwickeln. Diese Denkweise hat auch bei der Weiterentwicklung der klassischen Bauteilaktivierung eine maßgebende Rolle gespielt. Es geht bei dieser Entwicklung wie bei der oberflächennahen Bauteilaktivierung darum, eine höhere thermische Leistung zu erzielen und die Reaktionszeit zu beschleunigen. Gleichzeitig sollten nur wenige Einschränkungen für die Tragkonstruktion damit verbunden sein. Die neu entwickelte Konstruktion muss ausreichend Raum für eine ungestörte Leitungsführung zur Verfügung stellen. Diese Forderung lässt sich idealerweise mit einem Sandwichquerschnitt erreichen. Der Vollquerschnitt wird aufgelöst in zwei tragende Scheiben, die über einzelne, die Querkraft aufnehmende Rippen miteinander verbunden sind [Bild 5]. Die durch den Sandwichaufbau gebildeten drei Ebenen können individuell und unabhängig voneinander für die Integration von Komponenten der Haustechnik genutzt werden. Insbesondere der freie Raum zwischen den beiden Schalen dient als Installationsebene für alle Arten von Leitungen und Einbauteilen.

Die Rohrleitungen für die thermische Aktivierung werden in der unteren Schale verlegt. Die oberflächennahe Anordnung, die begrenzte Masse der unteren Schale und die einseitige Isolierung durch den Hohlraum der mittleren Schicht verbessern die Eigenschaften der Bauteilaktivierung [Bild 6]. Die thermische Leistung wird gesteigert und die Reaktionszeit erheblich verbessert. Mit diesen verbesserten Eigenschaften wird es erstmals möglich, die vollständige Raumklimatisierung nur alleine mit der Bauteilaktivierung zu erreichen. Die Masse der unteren Schale ist immer noch ausreichend, um einen Anteil an thermischer Energie zu speichern. Je nach Bedarf kann die obere Schale zudem separat genutzt werden für den Einbau wie z.B. einer Fußbodenheizung.

Die hohe thermische Leistung über die untere Schale wird als Strahlungswärme zum Heizen der Räume genutzt und zum Kühlen wirkt die Betonschale wie eine klassische Kühldecke. Mit nur einem System ist man damit in der Lage die Räume sowohl zu Heizen als auch zu Kühlen.

Ein Vergleich der verschiedenen Systeme für die Bauteilaktivierung

Wie bereits angedeutet, unterscheiden sich die drei Systeme der Bauteilaktivierung durch die mögliche thermische Leistung aber auch durch die Reaktionsgeschwindigkeit. Die Ermittlung der Leistung für die drei Systeme mit den gleichen Vorgaben für die Rohrleitungen, die Temperaturen in den Rohren und in dem angeschlossenen Raum zeigt die Unterschiede deutlich auf [Bild 7]. Die höchste thermische Leistung wird durch das System mit Sandwichquerschnitt erzielt. Obwohl die oberflächennahe Bauteilaktivierung nur eine geringfügig niedrigere Gesamtleistung abliefert, zeigt sie Ihre Schwächen bei der Reaktionsgeschwindigkeit. Werden alle Leistungen der drei Systeme auf die maximal mögliche Leistung normiert, offenbart sich insbesondere die träge Reaktionsfähigkeit von oberflächennaher Bauteilaktivierung und der Betonkernaktivierung [Bild 8].

7. Entwicklung der thermischen Leistung [kW/m2[ über die Zeit für die drei Systeme von Bauteilaktivierung
8. Normierte thermische Leistung für die drei Ausführungsvarianten der Bauteilaktivierung – maximale Leistung, Reaktionszeit

Ergänzende Optimierung durch eine angepasste Steuerung

Die thermischen Leistungswerte und die schnelle Reaktionszeit ermöglichen auch eine Einzelraumregulierung. Die im Ausbauraster angeordneten Rohrregister können dann einzeln gesteuert werden. Die gewünschte Leistung wird dann individuell eingestellt. In die vorgefertigten Platten lassen sich dann ein bis zwei Register einbauen [Bild 9]. Die zugehörige Regelung erfolgt dann über ergänzende Bauteilgruppen. Dazu gehören die dezentralen Verteiler, an die jedes Register einzeln angeschlossen wird. Die Verteiler werden von einem Sammelverteiler über die beiden Leitungen von Vor- und Rücklauf gespeist. Da der Sammelverteiler sowohl mit kaltem als auch mit warmem Wasser versorgt wird, kann über die Zonenverteiler im parallelen Betrieb sowohl gekühlt als auch geheizt werden. Lediglich der Sammelverteiler muss zu diesem Zweck an ein Vierleitersystem angeschlossen sein [Bild 10].

 

9. Je ein Register pro Ausbauraster - einzeln ansteuerbar
10. Einzelraumregelung, Prallelbetrieb Heizen/Kühlen - das zugehörige Anlagenschema

Flachdecke mit vorgefertigten Platten

Die Platte mit Sandwichquerschnitt kann wegen des Hohlraums nur als Fertigteil hergestellt werden. Dazu werden die beiden Schalen einzeln produziert und entweder bereits im Werk oder erst auf der Baustelle miteinander verbunden. Der große Vorteil dieser Fertigung besteht auch darin, die Rohrleitungen bereits im Werk unter kontrollierten Arbeitsbedingungen einzubauen. Bereits in der Planung werden die Abmessungen der Platte an das Ausbauraster angepasst, so dass die einzelnen Rohrregister ebenfalls innerhalb eines Rasters zu liegen kommen.

Die statische Wirkung der einachsig gespannten vorgefertigten Deckenplatten muss jedoch durch die passende Konstruktion auch den Anforderungen an eine Flachdecke genügen. Das wird durch die Anordnung von Gurtstreifen erreicht, die als deckengleiche Unterzüge von Stütze zu Stütze spannen. Die Lastabtragung ist mit dem System eines Trägerrostes zu vergleichen, indem die einachsig gespannten Deckenplatten sich in die Gurtstreifen einhängen. Die technische Umsetzung des Gurtstreifens wird durch die vorgefertigte Deckenplatte direkt ausgeführt. Die untere Platte des Sandwichquerschnitts stellt die integrierte Schalung dar, innerhalb der die Bügelbewehrung für den Gurtstreifen bereits werkseitig eingebaut ist [Bild 11]. Lediglich die untere und obere Längsbewehrung muss dann vor Ort noch in den Gurtstreifen eingelegt werden. Bei größeren Spannweiten wird anstelle der schlaffen eine vorgespannte Bewehrung in Form von Monolitzen verwendet [3]. Mit dem örtlichen Betonieren des Gurtstreifens entsteht ein Vollquerschnitt, der in der Lage ist, die aus den senkrecht dazu angeordneten Platten sicher aufzunehmen und zur Stütze zu transportieren [Bild 12].

 

12. Sandwichquerschnitt duch den Zusammenbau einzelner vorgefertigter Deckenplatten
11. Flachdecke mit vorgefertigten Deckenplatten: Sandwichquerschnitt und deckengleicher Unterzug

Fazit: mehr Komfort für das Raumklima durch eine angepasste Bauteilaktivierung

Im Gegensatz zu dem üblichen Umgang mit dem Einbau einer Betonkernaktivierung handelt es sich bei der dargestellten Entwicklung um ein sowohl von Seiten der TGA-Planung als auch von der Tragwerksplanung aufeinander abgestimmtes System. Sowohl die statischen Anforderungen als auch die Randbedingungen für eine leistungsfähige Bauteilaktivierung werden mit dieser neuartigen Produktentwicklung erfüllt. Dabei geht es nicht mehr um die Addition von Einbauteilen, sondern um ein einheitliches und multifunktionales Produkt [4]. Erst mit dieser Entwicklung ist man in der Lage, vollumfänglich das maximale Leistungsvermögen der Bauteilaktivierung zu entwickeln und auch zu nutzen. Ohne weitere Gerätschaften zur thermischen Leistungssteigerung dient die Bauteilaktivierung alleine zur Raumklimatisierung. Die positiven Eigenschaften der Strahlungswärme bzw. der im tragenden Bauteil integrierten Kühldecke tragen zur Behaglichkeit des Benutzers bei und erzeugen das gewünschte Wohlfühlklima.

Mit dieser leistungsstarken Technik wird die Lücke zur Herstellung eines energieeffizienten Gebäudes geschlossen. Denn bekanntlich erzielt die Bauteilaktivierung ihre Wirkung mit niedrigen Vorlauftemperaturen und ist damit für den Anschluss an die umweltfreundliche und Ressourcen schonende Energie bestens geeignet. Die darüber hinausgehenden Eigenschaften, bereits im Gebäude die Energie über die Masse der Konstruktion zu speichern, trägt mit dazu bei, ein gleichmäßiges Raumklima auch bei wechselnden Energieangebot sicher zu stellen.

 

Literaturverzeichnis:

[1]   Josef Hegger, Carsten Siburg: Experimentelle Untersuchung zur Anordnung von horizontalen Leitungen im Bereich von Innenstützen. Fraunhofer IRB Verlag 2012; ISBN 978-3-8167-8662-7

[2]    Wikipedia: Multifunktionale Betondecke, Stand 28.02.2016 https://de.wikipedia.org/wiki/Multifunktionale_Betondecke

[3]    Vorgespannte Flachdecke mit Hohldeckenplatten. Patent DE103 50 082 B4 2007.02.22 / EP 1 528 173 A2

[4]    Thomas Friedrich: Multifunktionale Betondecken, Kapitel V in Betonkalender 2016, Ernst & Sohn Verlag, 2015.